Im Alltag überfluten uns Informationen. Gleichzeitig haben wir uns mehr und mehr daran gewöhnt, aus diesem Überangebot nur möglichst relevante und auf uns zugeschnittene Information zu erhalten. Das stellt Veranstaltungsplaner vor zwei Herausforderungen. Zum einen: Wie vermittle ich meinen Teilnehmern Informationen so, dass sie diese als relevant, interessant und spannend empfinden? Und zum anderen: Wie locke ich Teilnehmer aus ihrer passiven Konsumentenrolle heraus, damit das Kommunikationsziel meiner Veranstaltung möglichst aktiv und nachhaltig angenommen wird?
Zu dieser Frage habe ich diesen Monat Jan Theofel, Deutschlands ersten hauptberuflichen Barcamp-Moderator zu mir auf die Impulspiloten Couch eingeladen. Jan Theofel ist seit 2008 als Barcamp-Moderator und -Organisator im Einsatz. Im Video-Interview weiter unten erklärt er wie es geht und vor allem, welche Vorteile ein Barcamp für die Teilnehmer hat.
Was genau ist ein Barcamp?
Barcamps entstanden aus den Foocamps des Verlegers Tim O‘Reilly („Foo“ = Friends of O‘Reilly). Dieses Format, entstanden aus dem Experiment einer innovativen Un-konferenz, wollten einige Teilnehmer allen zugänglich machen und entwickelten die Idee des Barcamps. Dabei handelt es sich um ein Wortspiel, da „Foo“ und „Bar“ im IT-Umfeld weit verbreitete Platzhalter sind. So wurde aus dem „Foocamp“ das „Barcamp“.
Ein Barcamp unterscheidet sich deutlich von klassischen Konferenzen. Auf Barcamps gibt es keine gebuchten Referenten, sondern nur Teilnehmer, die gemeinsam und gleichberechtigt die Themen des Tages vorschlagen, entwickeln und auch die Verantwortung dafür übernehmen. Es ist damit das einzige Format, bei dem die Teilnehmer zentral im Mittelpunkt stehen und gemeinsam auf Augenhöhe in einen intensiven Wissensaustausch gehen.
Wie funktioniert ein Barcamp?
Grundlage für ein Barcamp ist eine größere Gruppe ab 30 bis zu 300 Teilnehmern. Die Teilnehmer sollten ein zentrales Thema haben, zu dem sie sich austauschen möchten.
Im Vorfeld eines Barcamps ist es ratsam, die Teilnehmer darauf vorzubereiten, was auf sie zukommt. Der Ablauf entsteht spontan vor Ort, aber es ist gut, dass jeder vorab Gelegenheit hat, sich mit den für ihn/sie relevanten Themen auseinander zu setzen und die Teilnehmer vor Ort bereist wissen:
- Welche Fragen bringe ich mit?
- Was will ich vorstellen?
- Was will ich diskutieren?
Vorstellungsrunde
Auch bei einer großen Gruppe von Teilnehmern ist es möglich und sinnvoll, eine Vorstellungsrunde anzusetzen. Wenn sich jeder Teilnehmer mit nur drei Schlagworten vorstellt baut das Brücken, die den anonymen Teilnehmer zum Menschen machen, indem man den gleichen Fußballverein nennt, Kinder hat oder das gleiche Hobby ausübt.
Ermutigung
Ein guter Barcamp-Moderator schafft es, die Teilnehmer früh zu ermutigen, sich zu beteiligen. Nimmt die Angst davor, dass man Fehler machen könnte und animiert zum Fragenstellen und Neugierig sein.
Themenplanung
Die Angst von Veranstaltern, es könnten nicht genügend Themen zusammen kommen ist unbegründet. Die Erfahrung zeigt, dass meistens gar nicht alle genannten Themen behandelt werden können. In der so genannten Sessionplanung kündigt dann der Moderator nach Durchsicht aller eingegangenen Themenvorschläge Vorträge an, vereinbart Diskussionen und bietet Workshops an. So entwickelt sich ein vielseitiges Programm, das ganz den Wünschen der Teilnehmer entspricht. Grundregel eines Barcamps: Wer ein Thema einbringt, trägt auch die Verantwortung dafür, dass er die Ergebnisse dokumentiert und im Anschluss weiter in das Unternehmen trägt. Dabei setzt das Format Barcamp auf die intrinsische Motivation der Mitarbeiter. Schlussfolgerung: Wen ein Thema so sehr interessiert, dass er es vorstellt, der hat auch Lust im Anschluss weiter daran zu arbeiten. Jede Session geht 45 Minuten. Sollten die Teilnehmer in dieser Zeit kein Ergebnis erzielen, wird das Thema während der Arbeitszeit im Unternehmen weiterentwickelt und die Ergebnisse dann zum nächsten Barcamp in 4-6 Monate wieder vorgestellt.
Abschluss eines Barcamps
Am Ende eines Barcamps findet ein gemeinsames Wrap-Up im Plenum statt.
- Wie war es für die Teilnehmer?
- Was nehmen sie mit?
- Was soll umgesetzt werden?
- Was gibt es für generelles Feedback?
Wer sollte ein Barcamp moderieren?
Vieles spricht schon auf Grund der Struktur eines Barcamps bei der Moderation für einen externen Moderator. Im Gegensatz zu einem internen Mitarbeiter oder sogar dem Geschäftsführer hat der externe Moderator automatisch eine größere Neutralität den Teilnehmer gegenüber, weil er ihre Positionen im Unternehmen gar nicht kennt. Gerade im Hinblick auf den Grundsatz des Barcamps: „Alle begegnen sich aus Augenhöhe“ ist das auf jeden Fall ein Vorteil. Darüber hinaus besitzt ein externer Moderator keine Präferenz für ein bestimmtes Thema. Sein Fokus liegt auf der Koordination und wertfreien Strukturierung der Themensammlung.
Jan Theofels 6 wichtigste Regeln für ein erfolgreiches Barcamp
- Die Teilnehmer stehen im Mittelpunkt, es ist ihr Barcamp, unabhängig vom Ziel des Veranstalters
- Die Teilnehmer bestimmen alle Inhalte vor Ort selbst.
- Alle Interessierten aus einer Zielgruppe dürfen teilnehmen
(dabei macht es keinen Unterschied, ob man Azubi oder Geschäftsführer ist) - Die Inhalte sollen über das Barcamp hinaus weitergetragen werden.
- Werte können nur durch Vorleben vermittelt werden
- Nach Möglichkeit einen externen Moderator einsetzen
Ihr wollt noch mehr Hintergründe? Infos zum Pleiten Pech und Pannen-Potential eines Barcamps? Oder seid neugierig, warum Ralf als Moderator auf der Bühne einen Sockel bereitet und Jan Theofel ihn zerstört?
Bis dahin – bleibt flexibel
Euer Ralf